Sehnsucht nach Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott
Ich habe euch erählt, dass ich mich auf den Weg nach Frankreich gemacht habe um nach Taizé zu wandern. Auf die Frage meines Mannes, was ich mir davon erhoffen würde, antwortete ich:
Ich wünsche mir die heilsame Gegenwart Gottes zu erfahren.“
Die darauf folgenden neun Tage in Frankreich waren sehr intensiv und wohltuend für mich. Nach einer dreitägigen Wanderung durch Burgund, die sehr an meine körperlichen Grenzen ging, kam ich in Taizé an.
Die Wanderung befreite mich nicht von dem was mir auf der Seele lag, aber sie nahm Dinge weg, die mich davon abhielten mich den wirklich wichtigen Themen zu stellen. Was blieb sind die Dinge, die mich wirklich ausmachen und mit denen sich jede Konfrontation lohnt.
Wenn erstmal nur die Schuld zu sehen ist
Gott gab mir einige Themen die ich durchdenken und mit seinem Licht beleuchten lassen konnte.
Nachdem ich zwei Tage gewandert bin und versucht habe, etwas frei zu werden, habe ich gemerkt, dass jede Konfrontation mit mir selbst mich zu einem Thema führt: zu einer ganz bestimmten Schuld, die mich belastet.
Ich nahm mir die Zeit und setze mich in ein Café um einen Brief zu schreiben. Mir war klar, ich könne dieses Thema auf der Suche nach Gottes Gegenwart nicht beiseite schieben. Vielmehr suchte ich Gottes Gegenwart gerade um diese Last ein für alle Mal lozuwerden. Doch dafür musste ich mich erneut damit auseinandersetzen.
Wenn die Wahrheit weh tut
Ich habe einen zutiefst ehrlichen Brief geschrieben. Dort, schreibend im Café, bin ich bis zu dem Punkt gekommen, an dem ich am tiefsten gefallen bin. An diesem Punkt angekommen fehlten mir die Worte, doch mein Herz fühlte sich etwas leichter an.
Hoffend nach vorne blickend
Nach 2,5 Tagen Wanderung saß ich im Bus nach Taizé und war voller Hoffnung auf die freimachende Gegenwart Gottes. Angekommen in Taizé wurde ich zunächst von den Menschenmassen beim Mittagessen erschagen, die alle die Sommerferien für einen Aufenthalt in Taizé nutzten. Ich brauchte 2-3 Tage um anzukommen.
Am zweite Tag, Sonntag, schrieb ich den angefangenen Brief zu Ende. Mit der Fertigstellung des Briefes habe ich dieses Thema bewusst auf sich beruhen lassen. Ich wollte und habe keinen Gedanken darüber unterdrückt, doch wollte ich mich bewusst auf Gottes Gegenwart und nicht auf meine Unzulänglichkeit fokussieren. Der Schmerz wird nicht geringer, wenn man sich ständig um in kreist.
Gottes Stimme
Ich weiß gar nicht, ob ich zusammenfassen kann, was Gott mir dann alles aufs Herz gelegt hat. Einiges lief parallel und alles wirkt noch weiter in mir.
Schon vor der Reise habe ich angefangen mithilfe der wuppertaler Studienbibel den ersten Teil des Johannesevangeliums durchzuarbeiten. Zu Beginn meiner Reise stand dadurch in meinem Herzen Gottes Wunsch nach Anbetern in „Wahrheit und im Geist„ und, dass Gottes Herrlichkeit „Wahrheit und Gnade“ ist.
Ich war gewillt Gottes Herrlichkeit der Wahrheit und Gnade in Wahrheit und im Geist zu begegnen. Ich wollte echt sein.
Tagesablauf in Taizé
Es gab dreimal täglich Gebetszeiten. Hierbei wurde Gottes Wort in Form von Gebeten gesungen und Bibelstellen in vielen verschiedenen Sprachen vorgelesen. Zwischendurch gab es immer eine lange Zeit der Stille. Alles ist darauf ausgelegt sich nach Gott auszurichten.
Montag- bis Freitagvormittag wird zudem eine Bibelreflektion von einer Stunde angeboten. Für die Älteren wurde sie diesmal von Bruder Matthew geleitet, der mich sehr begeistert hat. Die erste Bibelreflektion handelte von Genesis 15,1-6: Abraham rang mit Gott und war ehrlich vor ihm. Dies führte zu Glauben. Dieses Ringen ist für mich eine Art der Anbetung in Wahrheit und im Geist. Abraham bringt seine Zweifel vor Gott. Sie drängen ihn zu Gott und nicht von ihm weg.
Blickrichtung
Bruder Matthew hat dabei meinen Gedanken aufgegriffen, dass ein Kreisen um den Schmerz ihn nicht weniger werden lässt:
Kapernikus erkannte, dass die Erde sich um die Sonne dreht und von ihr erleuchtet wird.
Diese schöne Metapher vertiefte den Gedanken, dass wir aufhören sollten uns egoistisch um uns selber zu drehen, sondern uns stattdessen auf die Größe und Güte Gottes fokussieren sollen. Dieser Blickwechsel war sehr heilsam für mich. Hilfreich war dabei, dass in Taizé alles darauf ausgelegt ist, den Fokus immer wieder auf Gott zu richten.
Ich durfte erfahren, dass nicht nur ich nach Gott Ausschau halte, sondern dass Gott mich schon lange sieht. Er weiß genau, was mich beschäftigt und lässt sich ganz individuell auf diese Themen ein.
Vollkommenheit oder gehäuchelte Perfektion?
Bei der dritten Bibelreflektion ging es um Matthäus 19,13-26.
Den in dieser Stelle beschriebenen Wunsch des Mannes vollkommen zu sein kenne ich sehr gut. Vielleicht belastet mich deswegen die zu Beginn beschriebene Last der Schuld so.
Jesus macht in dieser Bibelstelle klar, dass keine Gesetzlichkeit Vollkommenheit bewirken kann. An anderer Stelle sagt Jesus: „Seid vollkommen wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist.“
In beiden Kapiteln lässt sich das griechische Wort „teleios“, das mit Vollkommensein überseztz wurde, nicht mit Perfektion gleichsetzen, sondern mit Ganzheitlichkeit, Balance, Ausgeglichenheit.
Auch hier: Anbeter in Wahrheit und im Geist.
Sagt Jesus uns hier, dass Reichtum unchristlich ist?
Der Mann, der nach Vollkommenheit fragt, hatte sehr viel Besitzt. Jesus entgegnete diesem, dass kein Reicher das Reich Gottes „erlangen“ kann, auch wenn er sonst viel erreicht zu haben scheint.
Hier geht es meiner Meinung nach nicht um Reichtum, sondern um das eigenständige Erarbeiten.
Das Reich Gottes kann nicht „erreicht“ werden, es muss „empfangen“, geschenkt bekommen werden.
Beauty of Simplicity
Weiterführend gab uns Bruder Matthew an diesem Tag einen Text über „Simplicity – Leben in Einfachheit“ mit. Damit sprach Gott so ganz nebenbei an, dass ich auch hierbei etwas Balast abgeben könnte. Materiellen – als auch inneren Balast. Ich bin gut darin inneren Balast anzuhäufen.
Bei der Auseinandersetzung hiermit konnte ich das erste Mal schreiben „ich glaube ich bin bereit loszulassen“ und meinte damit die Sache von der der Brief zu Begin meiner Reise handelte. Der Bereitschaft loszulassen folgte einem Hilferuf: „Herr, nimm! Bitte nimm weg. Mach mich frei!“
Und jetzt soll ich einfach so zurück in den Alltag?!
Während des Tages fragte ich mich, wie ich in zweit Tagen zurück in meinen Alltag gehen solle. Und ich merkte: die Zeit hier in Taizé war eigentlich zu kurz.
Zu Gast bei den Bründern
Abends haben die Brüder ein paar Leute in ihr Haus eingeladen. Irgendwie war ich dabei. Was für eine Ehre! Die Brüder haben uns Tee gemacht und Butterbaguette geschmiert.
Es war so eine demütige Atmosphäre. Diese dienende Haltung hat mich tief berührt. Bruder Alois, der jetztige Leiter von Taizé, hielt eine kurze Ansprache und sagte u. a. „when things are getting to easy you are not creative anymore.“ Das gab mir Mut schwierige und anstrengende Situationen meines Lebens als Herausforderungen in einem neuen Licht zu sehen.
Eine Herzenshaltung
Dies war nicht die einzige Antwort Gottes auf meine Frage, wie ich zurück in den Alltag gehen soll. Gott durchdachte die Aussage von Bruder Alois und den Eindruck der demütigen Haltung der Brüder am nächsten Morgen weiter.
Planmäßig sollte diese Bibelreflexion mit Bruder Matthew meine letzte sein. Ich wollte Freitagmorgen nach dem Frühstück mit dem Bus weiterziehen. Es ging um Matthäus 20,20-28: „wer bei euch groß sein will, soll euer Diener sein.“ (Vers 26). Das griechische Wort für „Diener sein“ übersetzte Bruder Matthew mit „taking care for others in household duty“.
Das hat mich sehr berührt, denn das tue ich gerade und genau hier fragte ich mich: „Wie gehe ich dorthin zurück?“ Und Jesus sagte: „mit einer dienenden Haltung“.
Weiter geht der Text in Vers 27 mit: „und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein.“ Sklave übersetzte Bruder Matthew hier mit „someone listening and acting according to that“. Hierbei griff Bruder Matthew Psalm 86,11 auf, der unser Trauvers ist. Er bezeichnete ihn als demütiges Gebet aus reinem Herzen:
Weise mir, Herr, deinen Weg, lass mich wandeln in deiner Wahrheit. Richte mein Herz auf das eine (undivided heart), dass ich deinen Namen ehre.“
Dieses hingebungs- und herausfordernde Gebet möchte ich nicht nur um meinen Finger, sondern auf meinem Herzen tragen.
Gottes Wertschätzung – er sieht mich
Gott sprach mit mir genau über die Dinge, die für mich gerade so relevant waren. Das lies mich so krass spüren, dass ich gesehen und wertgeschätzt werden. Gott schenkte mir dadurch so viel Freiheit in diesen Gebieten.
Die Bibelrelfexionen mit Bruder Matthew fand ich so inspirierend, dass ich meine Pläne spontan geändert habe. Am nächsten Tag bin ich statt mit dem Bus vor der Relfexion zu Fuß nach der Reflexion weitergezogen.
Wir sprachen anhand Matthäus 26, 36-46 darüber, wie Jesus sich mit seiner größten Angst auseinandersetzte. Es trieb ihn ins Gebet. Dadurch fand er die Stärke der Ralität ins Auge zu blicken und zu seinen Jüngern zu sagen „steht auf, lasst uns gehen.“ Jesus fand diese Kraft, obwohl Gott selbst in seinen Gebeten still zu bleiben scheint.
Während seines Kampfes im Gebet bat er seine Jünger mit ihm wach zu bleiben, doch sie fielen immer wieder in den Schlaf.
Mit dem folgenden Satz überließ Bruder Matthew mich meinem Wanderweg, meiner Glaubensreise:
We are all called to give our lifes in all simplicity.“
Weise mit, Herr, deinen Weg […], dass ich deinen Namen ehre.“ Psalm 86,11
Wenn Du meinen Blog gerne unterstützen möchtest, kannst du hier klicken.